Caro Keller (NSU-Watch)
Seit 2013 bin ich Teil des antifaschistischen Bündnisses NSU-Watch, seit Ende 2016 dort auch Redakteurin, verantwortlich u.a. für Website- und Social Media Output sowie den Podcast "NSU-Watch: Aufklären & Einmischen"
Über NSU-Watch:
Die rassistische Mordserie des »Nationalsoziaistischen Untergrunds« (NSU) markiert eine Zäsur in der bundesrepublikanischen Geschichte. Die Taten des NSU, sein Netzwerk und die Rolle der Behörden sind auch nach dem Ende des Münchener NSU-Strafprozesses längst nicht aufgeklärt.
NSU-Watch wird von einem Bündnis aus rund einem Dutzend antifaschistischer und antirassistischer Gruppen und Einzelpersonen aus dem ganzen Bundesgebiet getragen, die seit über einem Jahrzehnt zum Themenkomplex arbeiten.
Von 2013 bis 2018 war der Kern der Arbeit von NSU-Watch die Beobachtung des Prozesses in München. An jedem der 438 Verhandlungstage waren wir im Gerichtssaal dabei. Wir berichteten via Social Media und erstellten detaillierte Protokolle. Darüber hinaus war und ist die Beobachtung von Parlamentarischen Untersuchungsausschüsse zum NSU-Komplex zentraler Bestandteil unserer Arbeit. Hierzu bildeten sich in mehreren Bundesländern regionale NSU-Watch-Gruppen. Im Jahr 2020 veröffentlichten wir unser Buch „Aufklären und Einmischen. Der NSU-Komplex und der Münchener Prozess“, das 2023 in einer erweiterten Neuauflage erschien.
Rassismus, Antisemitismus und rechte Gewalt sind auch nach der Zäsur, die der NSU-Komplex war, virulent. Das rassistische Attentat am Münchener Olympia-Einkaufszentrum 2016, der Mord an Walter Lübcke 2019, der antisemitische, rassistische und misogyne Anschlag in Halle 2019 und das rassistische Attentat in Hanau 2020 belegen dies auf besonders traurige Weise.
Deshalb macht NSU-Watch weiter! Wir schauen dem Staat bei seinen Aufklärungsversuchen weiter auf die Finger, wir dokumentieren, recherchieren und intervenieren weiter. Wichtige Instrumente dafür sind unsere Social-Media-Kanäle und der seit 2018 regelmäßig erscheinende Podcast „Aufklären & Einmischen“.
Neben der Beobachtung von Strafprozessen und Untersuchungsausschüssen ist die Vermittlung von Wissen über Neonazis, den NSU-Komplex und rechten Terror eine wichtige Aufgabe von NSU-Watch. NSU-Watch als Projekt von antifaschistischen und antirassistischen (Recherche-) Gruppen hat Zugang zu umfangreichem Wissen über die neonazistische Szene, die im NSU involvierten Strukturen und weitere Strukturen rechten Terrors. Wir vernetzen kompetente antifaschistische Projekte und Einzelpersonen – auch mit Anwält*innen der Nebenklage – und erarbeiten gemeinsame Einschätzungen und Expertisen.
Session
Wir blicken auf ein Jahr voller rechter, rassistischer und antisemitischer Kampagnen zurück. Der Diskurs um Migration und Flucht wird mit zunehmender Selbstverständlichkeit als ein Diskurs der Abwehr und des Ausschlusses der „Anderen“ geführt. Dies drückt sich in immer neuen Gesetzesverschärfungen bis hin zur Forderung nach einer vollständigen Abschaffung des Grundrechtes auf Asyl aus. Und auch in anderen Bereichen der Politik wird der Ruf nach autoritären „Lösungen“ für tatsächliche oder vermeintliche Probleme lauter. Nur vor diesem gesellschaftlichen Hintergrund sind die Wahlerfolge der AfD in Hessen und Bayern zu verstehen.
Für uns ist klar: Unter solchen gesellschaftlichen Bedingungen wächst die Gefahr rechten Terrors. Die Zahl der antisemitischen, rassistischen und rechten Angriffe steigt weiterhin, denn Rechte Täter*innen können sich als diejenigen verstehen, die einen vermeintlichen „Volkswillen“ in die Tat umsetzen. Sie finden vermehrt die Ermöglichungsstrukturen, die sie für ihre Taten benötigen – in rechten Organisationen ebenso wie im Netz oder im direkten sozialen Umfeld.
Wir wollen im Podcast auf das Jahr 2023 zurückschauen und ausloten, wo wir im Kampf gegen rechten Terror stehen. Was sind unsere Möglichkeiten, zu informieren und zu intervenieren? Wir müssen von Staat und Gesellschaft Aufklärung und Konsequenzen einfordern, die Arbeit von Polizei, Justiz und Parlamenten kritisch beobachten, Verharmlosung und Entpolitisierung entgegentreten, solidarisch sein und Betroffenen in ihren Kämpfen um Anerkennung und Gerechtigkeit beiseite stehen. Dafür scheinen die Räume enger und weniger zu werden. Was können wir 2024 gemeinsam erreichen?